EinSichten

zum Umgang mit Verschlossenem

Teilnehmende Beobachtung, 2008

Clemens Russell

Jahrgang 1953
Soziologe
Kontakt: Email

A. Projektvorstellung

1. GRUNDLAGEN

Die Intention des Projekts wird von den Initiatoren wie folgt beschrieben:
"Mittels der Freilegung eines unterirdischen, verfüllten Bunkers, der unweit der Hansestadt Wismar direkt an der Ostsee-Autobahn A 20 gelegen ist und vor 1989 der Parteileitung des damaligen Bezirkes Rostock als Schutzraum diente, sollen prototypisch Erkenntnisse im Umgang mit Verschlossenem gewonnen werden."
Der Ansatz des Projekts ist, den Öffnungsprozess des verfüllten Bunkers von Kunstproduzenten und anderen Fachleuten mit beabsichtigt unterschiedlichen Perspektiven und unter Einsatz unterschiedlicher Medien zu dokumentieren. Dadurch wird ein Erkenntniszugewinn für den Umgang mit sogenanntem Verschlossenem erwartet.
Grundlage ist die Annahme, dass sich durch die spätere Verschränkung und Übereinanderlagerung der differenten Fach- und Formatperspektiven disziplinen- und methodenübergreifend eine erweiterte Erkenntnistiefe generieren lässt.

Dr. Birte Kleine-Benne bot vorausgehend und begleitend im Sommersemester 2008 an der Universität der Künste Berlin im Studiengang Architektur fakultätsübergreifend ein Blockseminar an, welches die Exkursionsgruppe mit architekturhistorischen und -theoretischen sowie kulturwissenschaftlichen Inhalten vorbereitete:
- Samstag, 24.5.2008, Objekt 'Bunker' aus architekturhistorischer und -theoretischer Perspektive
- Samstag, 31.5.2008, Thema 'Verschlossenes' aus kulturwissenschaftlicher Perspektive.

Darüber hinaus wurden mit einem 'Call for Paper' weitere Fachperspektiven eingeworben. Im 'Paper' sollten die beabsichtigte Form der Dokumentation (Medien- bzw. Dokumentationsinstrumenteeinsatz) als auch die Bedeutung der Thematik aus persönlicher Sicht respektive für die jeweilige Fachrichtung dargelegt werden.

Die Wissensproduktionen sollen später nachbereitet und in einer Online-Präsentation in multimedialer Vernetzung des Materials publiziert werden.

Projektdurchführende Organisation ist der artLABOR e.V..

2. AKTEURE

Verantwortlich für die Konzeption und Planung waren Dr. Birte Kleine-Benne und Erwin Liedke, für die Umsetzung Erwin Liedke und Yves Müller.

AkteurFachrichtung
Birte Kleine-BenneKunstwissenschaften
Erwin LiedkeKunstkommunikation
Yves MüllerSchatzsuche
Katharina BardensArchitektur (Studentin)
Anastassia BichanArchitektur (Studentin)
Claudia DorfmüllerBildende Kunst (Studentin)
erwin GeheimRatKonzeptkunst
Lola GöllerBildende Kunst (Studentin)
MarkuesBildende Kunst (Student)
Walid HassineArchitektur (Student)
Friedemann HeckelBildende Kunst (Student)
Marcus HeldPhilosophie und Theologie
Marc HoltbeckerGesellschafts- und Wirtschaftskommunikation (Student)
Mathias JudKunst
Karoline KreißlLehramt (Studentin)
Franziska LatellGesellschafts- und Wirtschaftskommunikation (Studentin)
Konrad MüheBildende Kunst (Student)
Sebastian NicolleArchitektur (Student)
Jo RadtkeExperimentelle Mediengestaltung (Student)
Clemens RussellSoziologie
Anton SteenbockBildende Kunst (Student)
André SternitzkeArchitektur (Student) und Bauingenieurwesen
Christoph WachterKunst
Markus WurlGesellschafts- und Wirtschaftskommunikation (Student)

Akteure aus Deutschland, Israel, Tunesien, Weißrussland und der Schweiz wirkten mit.

3. INVENTARLISTE

Von der Schaufel bis zum Mini-Bagger, vom Notizblock bis zur Handy-Kamera, von Fotoapparat bis zu Gummistiefeln, von MP3-Rekordern bis Batterie-Ladegeräten, von Taschenlampen bis Rosenpflanzstäben, vom Stromgenerator bis zu Baustellen-Flutern, von der Spitzhacke bis zum Verbandskasten - eine Vielzahl von Instrumenten kamen zum Einsatz.

Anmerkung: Zu verweisen ist auf die ausführliche Dokumentation des Instrumentariums mittels Befragung von erwin GeheimRat.

B. Teilnehmende Beobachtung

1. METHODE

Der Autor des Berichts ist Soziologe und hat als Perspektive die teilnehmende Beobachtung gewählt. Ziel der teilnehmenden Beobachtung war, Schwerpunkte zu identifizieren, die sich für eine – aus Sicht des Teilnehmers und Beobachters – kohärente Darstellung des Beobachteten eignen. Es handelt sich bei diesem Verfahren um eine qualitative Erhebungsmethode.
Während des Tages wurden Interviews mit 12 Akteuren durchgeführt. Die Auswahl der Interviewpartner war abhängig von Situationen und Zugangsmöglichkeiten.

2. BESTIMMUNG DER EIGENEN TEILNAHMEN UND BEOBACHTUNGEN

  1. Teilnahme an den Arbeiten
    - Unterhaltungen und Gespräche in Form von teilstandardisierten Interviews über den Verlauf der Arbeit mit ausgesuchten Akteuren (12).
    - Arbeiten mit Spaten, Schaufel und Eimer, um das Vorhaben der Bunkerfreilegung tatkräftig zu unterstützen. Die Mit- und Zusammenarbeit war Voraussetzung für das Verstehen und Mitgestalten der technischen, organisatorischen und sozialen Zusammenhänge.
    - Die Arbeiten mit dem Minibagger ermöglichten durch einen radikalen Szenenwechsel vom zuhörenden Beobachter hin zum Fahrer einer Baumaschine einen bewusst intendierten Perspektivwechsel für die anderen Akteure.

  2. Beobachtung / Befragung 1
    Die Akteure wurden in Form von teilstandardisierten Interviews vor, während und/oder nach der Bunkeröffnung befragt zu den folgenden Themen:
    - Erwartungen
    - Erfahrungen
    - Beobachtungen

  3. Erkundung
    - Besichtigung des wieder geöffneten Bunkers

  4. Betrachtung
    - Wirkungen durch die Veränderungen des Raumgefühls hinsichtlich der Aspekte System-, Transit- und Umweltraum

  5. Befragung 2
    Die Akteure wurden im Anschluss an die Bunkeröffnung zum Verlauf des Wochenendes interviewt.
3. PROTOKOLL DER EREIGNISSE
ProjektschritteDatumZeit
Ankunft des ProtokollierendenFr. 06.06.200820:30
Beginn der ArbeitenSa. 07.06.200807:00
Grenzziehung07:55
Baubeginn08:10
Gespräch mit Karoline08:10
Partner positionieren sich08:15
Erster Kontakt mit schweren Betonbrocken08:20
Beiläufig werden Details über den Bunker bekannt08:30
Baggerarbeiten stoppen, Hohlraum wird sichtbar08:37
Drei Personen mit roten Schippen machen sich an die Arbeit08:45
Wiederaufnahme der Baggerarbeiten09:03
Ankunft der Gruppe Bernstein09:30
Franziska erschließt sich eine Position09:30
Gespräch mit Franziska09:35
Entwicklung verlässt mystischen Raum des Verborgenen10:00
Konrad und Joe suchen sich einen neuen Zugang zum Verborgenen10:00
Auffallend die hohe Zahl von Männer bei den Arbeiten zur Freilegung des Eingangs10:40
Dualität und Polarität, Tot oder nicht tot, Tot und nicht tot11:00
Bunkereingangstür wird sichtbar11:00
Gespräch mit Sebastian11:15
Start von VA Objet trouvé11:30
Start von VA Metallskulptur14:00
Verhängung des Verbots zum Photographieren und Filmen14:45
Bernsteingruppe zieht Grenzzaun aus Papier 15:19
Widerstand und Unwohlsein15:30
Suche nach Lüftungsschacht16:30
Modergeruch strömt aus dem Bunker17:00
Dackel verletzt sich das Bein17:25
Diskussion über Sauerstoff und Sicherheit beim Betreten des Bunkers17:30
Bernsteinraum erhält volle Nachmittagssonne17:45
Beginn der Arbeiten zur Freilegung des Plateaus18:00
Eintritt in den Bunker18:30
Reinigung und Begradigung des Plateaus19:00-20:30
Ende des 1. ArbeitstagesSa. 07.06.200820:30
Beginn des 2. ArbeitstagesSo. 08.06.200809:30
Umbau der Räumlichkeiten10:00
Markierung des Plateaus10:00
Interviews mit den Teilnehmern10:15
Individuelle Bunkerbesichtigungen10:00-12:00
Rekapitulation der ersten Bunkerbesichtung auf dem Bunkerdach12:00
Abreise des Protokollierenden14:30
AbbauSo. 08.06.200819:00

C. Auswahl an Aktionen/ Versuchsanordnungen

Der zusammengesetzte Begriff "Versuchsanordnung" hat sich als strukturierendes Element für die Darstellung des Beobachteten besonders geeignet. Im Verlauf der Bunkeröffnung wurde ersichtlich, dass es bei einer einzigen Versuchsanordnung nicht bleiben würde: Aus der Versuchsanordnung wurden Versuchsanordnungen im Umgang mit Verschlossenem, von denen im Folgenden exemplarisch einige kurz beschrieben werden (weiter unten eine Übersicht des gesamten generierten Materials).
Die Frage von Rangordnungen oder Interdependenzen der unterschiedlichen Anordnungen werden in diesem Bericht nicht behandelt.

1. FREILEGUNG DES BUNKEREINGANGS

Die verschiedenen Vorgehensweisen zur Freilegung des Bunkereingangs wurden durch die Härte, das Gewicht und die Beschaffenheiten der Materialien bestimmt, die zu einer wirksamen und kostensparenden Blockierung des Bunkereingangs vor sieben Jahren benötigt wurden.
Der Bunkereingang wurde am Samstag, 07.06.2008, komplett freigelegt und gesäubert.
Die Freilegung des Bunkereingangs war Ergebnis des Zusammenwirkens planerischer Kompetenzen und eines qualifizierten und sinnvollen, bisweilen massiven Einsatzes von Personen, Techniken, Werkzeugen und Geräten. Die Zusammenarbeit der Handelnden war im Sinne eines stimmigen Teamwork-Prozesses ein Kernelement für gelingendes Handeln.

Das Ziel "Freilegung" bestimmte die Motivation der an dieser Aktion beteiligten Akteure. Vorgehen und Rhythmus der Freilegung entwickelten sich schrittweise. Die großen, mit Stahlarmierungen verstärkten Betonbrocken, Erde, Schutt und Sand zwischen den Brocken und die abwärts gerichtete Treppe zur Bunkertür stellten zu überwindende Hürden bei der Freilegung dar. Die Akteure suchten für das systematische Gelingen der Freilegung nach verschiedenen Ansätze. Keiner der Akteure gab Anweisungen, es war vielmehr ein kollektives Suchen nach der "Kante", von der aus sich erfolgversprechend die Räumarbeiten beschleunigen ließen. Die Gefahr, sich an zu großen Objekten zu schnell zu verausgaben, bestand, solange der richtige "Dreh" nicht gefunden war. Das Gewicht der Betonbrocken und die kompliziert zu entflechtenden Verstrebungen der Armierungen verlangten ein stimmiges Vorgehen und eine ausgewogene Balance zwischen Brain und Körperkraft. Sobald eine Etappe der Freilegung an Übersicht gewann, war der Weg frei für ein schnelles und arbeitsteilig sehr effizientes Zusammenwirken zwischen allen Beteiligten. Bei einigen Akteuren war eine Freude an körperlich fordernder Arbeit zu beobachten.

2. SYSTEMTHEORIE IM RAUM

Das Terrain im Wald, auf/in dem sich die Versuchsanordnungen entwickelten, wurde über das Exkursionswochenende hinweg von Birte Kleine-Benne und Marcus Held durch ein weiß-rotes Absperrband in die verschiedenen Zonen System, Transitraum und Umwelt eingeteilt. Die Zonen bildeten die Grundfiguration der Versuchsanordnung und veränderten sich im Verlauf des Wochenendes parallel zu den Öfffnungsereignissen des Bunkers.

Nachdem das geschlossene System Bunker geöffnet, genauer, nachdem am Samstag, 07.06.2008, gegen 18 Uhr die ersten Bunkerbegehungen vorgenommen wurden, fanden Raumerweiterungen, Bewegungen und Verschiebungen statt: Die bisherige Umwelt drückte sich über die Treppe in den unterirdischen, bis dato geschlossenen Raum, der bisherige Transitraum transformierte zu einem geschlossenen System auf zwei Ebenen: ober- und unterirdisch. Man schaut nicht auf das, was herausgenommen wird, sondern auf den entstandenen Leerraum.

Das Verhältnis zwischen den Räumen durch die Veränderungen an den Orten war nicht Gegenstand der teilnehmenden Beobachtung.

3. BERNSTEINZIMMER

Eine etwa 3 Meter lange und 3 Meter tiefe Grube wurde am Samstag, 07.06.2008, mit einfachen Werkzeugen (Spaten, Eimer und Schaufeln) im Abstand von etwa 15 Meter von der Versuchsanordnung Bunkereingang gegraben. Ausgangspunkt für diese Aktivitäten war die Information vom Vorabend, dass sich hier ein separater Versorgungsbunker befunden haben soll. Während der Grabungsaktivitäten wurden elektrische Versorgungsleitungen und an der nördlichen Stirnseite der rechteckigen Grube in einer Breite von etwa 50 cm die Außenwand des Bunkers freigelegt.
Die Grube wurde am Samstagnachmittag durch einen Papierzaun optisch von der Umgebung getrennt. Die Anordnung des Papierzauns erschwerte den direkten Zugang. Zurufe der Akteure machten deutlich, dass das Betreten des Grubengeländes für Nichtmitwirkende unerwünscht war. Erzählungen über den Fund des Bernsteinzimmer betonen die Außergewöhnlichkeit der Aktivitäten von Friedemann Heckel, Konrad Mühe, Jo Radtke und Anton Steenbock. Motorisierte Hilfsmittel oder Maschinen kamen bewusst nicht zum Einsatz.

Die bisweilen pointiert sich absetzenden oder provokant wirkenden Aktivitäten der vier Akteure im Kontext des Gesamtvorhabens stellten eine Kontrastwirkung zu den anderen Versuchsanordnungen dar.

4. OBJET TROUVÉ

Zeitgleich zu den Freilegungen von Eingängen, Wänden und Plateaus sammelte Markues kleinere und mittelgroße Objekte in der Umgebung, vorrangig Plastik und andere Zivilisationsobjekte, zum Teil hochgradig individualistische Sekundärphänome (Spuren, gebrauchte, nützliche und weniger nützliche Dinge). Die dann in transparenten Druckverschlussbeuteln gesammelten Objekte wurden dokumentiert und über Beschriftungen auf dem jeweiligen Beutel erfasst. Die Objekte wurden in den unterschiedlichen Zonen gesammelt und später bildhauerisch überprüft.
Markues ging im definierten Raum radial vor und beobachtete parallel die zeitgleiche Vehemenz, mit der sich andere Projektteilnehmer an der Öffnung des Bunkers bzw. an den Erdarbeiten auf der Suche nach dem Bernsteinzimmer beteiligten.

5. BUNKERDACH/PLATEAU UND PERFORMANCE

Der Bunker ist ein halbunterirdisch gebautes Schutzgebäude mit Erdüberschüttung. Das Dach des Bunkers liegt wie ein mit Gräsern und Gestrüpp bewachsenes Plateau im Wald. Claudia Dorfmüller, Franziska Latell, Markues und Marc Holtbecker markierten am frühen Samstagabend das Plateau mit einer gereinigten, begradigten und geharkten Fläche und umrahmten es mit weißen Papierstreifen.

Am Sonntag, 08.06.2008, fand zur Mittagszeit auf dem Plateau eine Performance statt. Diejenigen Personen, die am Vortag als Erste nach der Freilegung des Eingangs den Bunker betreten hatten, wurden gebeten, ihren Gang durch den dunklen Bunker diesmal im Freien auf dem Plateau zu wiederholen. Mehrere Kameras zeichneten diesen „Bunkergang“ auf. Die Freilegung des Bunkereingangs hat mit diesem Handlungsfeld eine wichtige Ergänzung erhalten. Das gilt sowohl für das Timing des Handlungsfeldes als auch für seine prägnant gesetzten - auch atmosphärischen - Kontrapunkte.

6. INTERVIEW ZUR ÖFFNUNG UND ENTDECKUNG

Während die ersten Akteure den Bunker erkundeten, wurde am Rande des Bunkereingangs ein Studio errichtet. Im Anschluss an ihre erste Bunkerbesichtigung führte Lola Göller Interviews mit den Bunkerbesuchern und stellte eine Bitte: "Beschreib mir bitte, was Du gesehen hast." Im Folgenden sind einige Antworten zusammengefasst und bereits inhaltlich kategorisiert:

Erwartungen:
- Ich habe mehr erwartet und mir den Bunker größer vorgestellt.
- Ich bin gespannt, wie wir die weiteren Räume konstruieren werden.
- Wo war das versprochene Phosphor an den Wänden?
- Für mich ist der Bunker größer als erwartet, habe Teile mitgenommen: Stromkabel, Holz und Sicherungen.
- Gemessen an der Aktion vorher, weniger als erwartet.

Gefühle:
- Als ich mit weißem Schutzanzug und Maske hineinging, war das Gefühl schon sehr stark.
- Ich möchte nicht sagen, dass ich desillusioniert bin.
- Ich bin froh, dass ich raus bin.
- Das Gefühl ist eigentlich null.
- Ich war unheimlich kaputt.
- Die Anspannung fiel ab, ich war einfach nur müde.
- Spannend, in ein geschlossenes System in eine vergangene Zukunft zu gehen.
- Es war kalt und dunkel und ich hatte ein Gefühl von Eingeschlossenem.

Beschreibungen:
- Der Bunker sieht runtergerockt aus, er hat Gebrauchsspuren, man hatte den Eindruck, dass er durch die Öffentlichkeit genutzt wurde.
- Die Räume wirkten mystisch: Klo, Pissoir, Raum mit abgehängter Decke: schwarz, ekelhaft.
- Die Türen sind 1,80 m hoch und 1,20 m breit, die Raumhöhe beträgt 2,55. Die Treppe in den Bunker hat 13 Stufen (27cm x 28 cm).
- Vorderer Bereich: Raum mit Metallpfeilern, langer Gang, parallel zur Gummizelle war mit quadratischen Platten mit Gummihaut zerfetzt, viel Schimmel, Zwischenräume, Esszimmer, Durchreiche, Sporenspuren.
- Räume, die normal wirkten, unspektakulär und irgendwie morbide.

Beobachtungen:
- Die Neugier ist spannender als das Erlebnis selbst.
- Nach der Besichtigung ließ die Spannung nach, es war wie nach getaner Arbeit.
- Ich hatte als Einziger keine Taschenlampe und war dadurch von anderen abhängig.
- Es roch nach Schimmel.
- Durfte als Erste reingehen.
- Lustig ist es, in einem Bunker bei der Durchreiche Fenster zu finden.
- Ansonsten ist nicht mehr viel drin, ziemlich unspektakulär.
- Der Eingang war sehr spannend, danach fingen die Räume an, mich zu langweilen.
- Das, was ich gesehen habe, ist im Prinzip nicht viel.
- Ich bin rein, wagewillig, bin dann ein paar Schritte gegangen, wollte raus, es war total unangenehm, wollte schnell raus.
- Was soll ich sagen? Ich war geschockt, weil gekokelt wurde. Es ist gut, dass die Türen noch drin sind. Ich bin guten Mutes, dass man etwas machen kann.

Interessant war die offensichtliche Zurückhaltung der interviewten Personen zu beschreiben, was sie gesehen haben und damit auf die ihnen gestellte Frage zu antworten. Von den etwa 30 Antworten beschreiben lediglich fünf die Bunkerräumlichkeiten. Die anderen Antworten beschreiben Erwartungen und Gefühle oder schildern allgemeine Beobachtungen. Die Gefühle, die Ernüchterung, der Schauer, die Emotionen oder der nüchterne Realismus waren in dieser Phase des Umgangs mit Verschlossenem dominierende Indikatoren als diejenigen visuellen Eindrücke, nach denen gefragt wurde.

7. ÜBERSICHT DES GENERIERTEN MATERIALS
AkteurProduziertes Material
Katharina BardensVideo, Audio
Anastassia BichanFotos, Notizen vom Interview
Claudia DorfmüllerFotos, inszenierte Bewegungen, Performance
erwin GeheimRatAudio, Video, Text
Lola GöllerAudio, Video, Fotos
MarkuesAktion, Fundstücke in Druckverschlussbeuteln mit Beschriftung
Walid HassineSkizzen, Daten, Notizen, Fotos
Friedemann HeckelAktion
Marcus HeldNotizen, Texte, Fotos
Marc HoltbeckerVideo
Mathias JudVideo, Fotos, Akt der Denkmalsetzung
Birte Kleine-BenneTexte, Skizzen, Notizen, Fotos
Karoline KreißlVideo, Fotos
Franziska LatellFotos, Video, Texte, Fundstücke
Konrad MüheAktion
Sebastian NicolleFotos, Fundstücke, Texte, Aktion
Jo RadtkeAktion
Clemens RussellTexte
Anton SteenbockAktion
André SternitzkeAktion
Christoph WachterVideo, Fotos, Akt der Denkmalsetzung
Markus WurlFotos, Zeichnungen, Bildhauereien in situ

Eine detaillierte und chronologische Übersicht der Einzelaktivitäten sind unter dem folgenden Link zu finden: http://www.bkb.eyes2k.net/udk08/Ausstellung.html

D. Report / Zusammenfassung

1. DIE ARCHITEKTONISCHEN ECKDATEN DES GEÖFFNETEN UND ENTDECKTEN OBJEKTES, DES BUNKERS
RäumeGrößenordnung des Normbauwerkes

Schleuse

Dusche

WC + Waschraum

Netzersatzanlage

Beratungsraum

Lager

Küche

Ruheraum

Filterraum

Notausstieg

Nachrichtenräume

BREITE : 9,65 m


Länge: 15,20 m


Gesamtfläche: 146,68 m²


Rauminhalt: 366,7 m³

2. EINSICHTEN AUS DER TEILNEHMENDEN BEOBACHTUNG

Der prominente Platz, den das Objekt Bunker einnahm, wurde durch die Entwicklung weiterer Versuchsanordnungen relativiert. Der Prozess der Bunkeröffnung wirkte als Katalysator für weitere Entwicklungen.
Es wurden Lerneffekte und Erlebnisfähigkeiten entwickelt. Ein zielgenauer Prozess des Suchens hat nicht stattgefunden, stattdessen entwickelten sich die Versuchsanordnungen eher als sich ergänzende, bisweilen konkurrierende Positionierungen. Jeder nahm den Raum in Beschlag. Gefragt wurde, ob der Bunker wirklich geöffnet werden musste oder ob der Raum auch ohne Wahrnehmungsverschiebung anders dargestellt werden könnte. Beim Umgang mit Verschlossenem ereigneten sich mehrdimensionale Herangehensweisen, das Primärinteresse „Bunkeröffnung“ provozierte komplementäre Betrachtungsweisen. Es wäre von Interesse, die Komplementarität einer weiteren Analyse zu unterziehen.

Motivation:
Jeder Akteur war gefragt, sich im Geschehen selbstorganisiert zu positionieren. Jeder verfügte aus der Seminarvorbereitung über einen analytischen Fokus und nahm am Geschehen der Öffnung teil. Die hier entwickelten Wertschöpfungen entfalteten mit zunehmender Dynamik eine starke Wirkung:
- Die Bunkeröffnung sowie der Lüftungsschacht wurden freigelegt, eine sauber gereinigte Treppe führte in die Tiefe.
- Der Bernsteingruppe gelang es, eine fast 3 Meter tiefe Grube freizulegen.
- Das Plateau des Bunkers wurde gereinigt, begradigt und geharkt. Eine Performance, die die erste Bunkerbegehung in Freiluft rekapituliert, nahm eine Aneignung des oberirdischen Raumes vor.
- Weitere dokumentarische Arbeiten kamen zum Abschluss: Filme, Interviews, Photographien...

Handlungskompetenz, Urteils- und Handlungsfähigkeit wurden ausgeprägt, denn die einzelnen Versuchsanordnungen entwickelten sich aus dem Kontext heraus und waren nicht vorgegeben.

Der Vorteil, den die Einzelnen durch die Mitarbeit in einer Gruppe hatte, bewies sich in vielen Situationen. Zum einen erhielten die einzelnen Personen durch die entstandenen sozialen Beziehungen Zugang zu den Ressourcen der anderen Gruppenmitglieder, zum anderen verstärkte es die Intensität und Qualität dieser Ressourcen.

Technik und Handwerk: Technik, Geräte und Energieressourcen standen im ausreichenden Maße zur Verfügung und mobilisierten keine Ressourcen, um etwaige Fehlbedarfe durch Ersatzhandlungen zu kompensieren.

3. ALLGEMEINE UND BESONDERE SCHLUSSFOLGERUNGEN

Bei dem Projekt EinSichten [insight/inside/in-site] eines Bunkers. Eine Versuchsanordnung zum Umgang mit Verschlossenem. handelte sich um ein komplexes Vorhaben. Die Versuchsanordnungen, die sich herauskristallisierten und ihre Beziehung zum Gesamtvorhaben, dienten allen Teilnehmern, eine integrierte Betrachtung auf das Verschlossene zu entwickeln. Eine Konzentration einzig auf die Öffnung des Bunkereingangs hätte einen klar definierten Auftrag vorgegeben. Andere Faktoren wären massiv ausgeblendet. Dies stünde mit der Intention des Projekts im Widerspruch.
Die theoretischen Grundlagen erschienen ausreichend solid. Die Unterschiedlichkeit in der Herangehensweise sowie die damit verbundenen Dynamiken (Gruppe, Gruppen, Individuen) haben sich als geeignete Lern- und Entwicklungsfelder bewährt. Der Umgang mit Verschlossenen hat sich als mehrdimensionales Vorhaben auf den verschiedenen Ebenen entwickelt:
- Wissen und Erkenntnisinteressen
- Affekte, Emotionen und Neugier
- Individuum und Gruppe
- Planung und Technik
- Umgang mit Geöffnetem
- Umgang mit Räumen und ihren Veränderungen.

4. EMPFEHLUNGEN

Für ein künftiges Prrojekt empfehle ich, zusätzlich das Thema Umgang mit Verschlossenem in der Psychoanalyse einzubeziehen (die für diesen Wissensbereich verantwortliche Teilnehmerin hatte kurzfristig abgesagt).
Vielleicht ließen sich aus den Erfahrungen Gründerideen für Hochschulabsolventen entwickeln. Der Umgang mit Verschlossenem in Zeiten des "Durchblicks als Heilslehre": Transparency International, das vermeintlich alles zugänglich machende Internet, die Ökonomisierung sozialer Prozesse verlangen ein klug durchdachtes, mehrdimensionales Handeln. Die während des Workshops gesammelten Erfahrungen bilden eine sinnvolle Grundlage, um zu Phänomenen wie
- Kennzeichen des Verschlossenen
- Raum
- Gruppe
- Wahrnehmungsebenen
- Sinne
- Affekte
- Emotionen
- Organisation und Planung
- Technik und Werkzeuge
nunmehr qualifiziert zu arbeiten.

An den Berliner Universitäten arbeiten Gründerwerkstätten, um die Hochschulausbildung arbeitswelt- und wirtschaftsnäher auszurichten. Damit soll die Verwertbarkeit von Hochschulwissen am Arbeitsmarkt verbessert werden. Ziel ist, die unmittelbare Beschäftigungswahrscheinlichkeit (Employability) der Hochschulabsolventen zu steigern. Es wäre zu fragen, ob das Seminar mit dem generierten Know How helfen könnte, Produktion und Wertschöpfungen in Betrieben zu steigern und den Wissenstransfer zwischen Berliner Wissenschaftseinrichtungen und Betrieben zu unterstützen.



Immer offen für neue Versuchsanordnung...

Clemens Russell

Zur Anwendung gebrachte Kulturtechnik(en)

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